Letztes Wochenende, vom 3. bis zum 5. Februar 2023, befand sich ganz Catania im Ausnahmezustand: drei Tage lang wurde eines der größten religiösen Feste der Welt gefeiert. Millionen von Menschen durchfluteten die Straßen in intensiver Anbetung ihrer Stadtpatronin, der Heiligen Agatha.
Die Figur der Heiligen Agatha wird das ganze Jahr hinweg in verschiedenster Form verehrt, doch an diesen Tagen bündelt sich eine religiöse Begeisterung durch alle Altersgruppen, wie sie in vielen anderen europäischen Ländern nicht mehr existiert. Wie auch in anderen Aspekten, gibt einem Sizilien hier die einzigartige und kostbare Möglichkeit, ein bisschen einzutauchen in eine großteils längst begrabene Zeit.
Ablauf der Feierlichkeiten
Schon Wochen vor dem Fest beginnen die Vorbereitungen. Die Stadt wird überschwänglich mit Blumen, Lichtern und Bildern geschmückt, Essensstände werden aufgebaut, Abläufe eingeübt. Bei den festlichen Umzügen werden gigantische Statuen – sogenannte „Candelore“ oder auch „Cerei di Sant’Agata“ – von einer ganzen Gruppe an Männern durch die Stadt getragen – eine koordinatorische Leistung, die trainiert werden muss.
Jede dieser 14 Statuen ist eine Art Altar, die einem gewissen Bereich bzw. einer Berufsgruppe gewidmet ist, zum Beispiel der Backkunst oder dem Obst- und Gemüseanbau. Sie sind kunstvoll aus Holz gemacht, über und über mit Blumen behangen und so schwer, dass die ca. 8 Männer, die sie tragen, immer wieder stoppen müssen, um sich auszuruhen. Die „Candelora degli Ortofrutticoli“ (Obst und Gemüse Statue), von Sizilianern liebevoll „La Signorina“ genannt, wiegt 650 kg und wird von einem Ende der Stadt zum anderen getragen. Die „Candelore“ sind das Herzstück der Prozession, sie ragen eindrucksvoll und leuchtend aus der Menge, entstammen einer uralten Tradition und sind aufgeladen mit religiöser, sozialer und kultureller Bedeutung.
Am ersten Tag beginnt schon bei Sonnenaufgang die Messe in der randvoll gefüllten Sankt Agatha Kathedrale, danach wird die reichlich geschmückte Statue der Heiligen hinausgetragen, der jubelnden Masse entgegen. Die Agatha-Verehrer tragen weiße Roben, schwenken weiße Tücher durch die Luft, tragen riesige, bis zu 40kg schwere Kerzen, bitten um ein Wunder oder bedanken sich für ein erfahrenes, singen in ekstatischen Zuständen und ein Feuerwerk erleuchtet den Himmel.
Köstlichkeiten zum Fest
An allen Ecken wird während des Festes Essen angeboten. Typischerweise finden sich dort neben den bekannten sizilianischen Arancini auch „Calia e Simenza“, ebenfalls eine sizilianische Spezialität aus gerösteten und gesalzenen Kichererbsen und Kürbiskernen, „Torrone“, ein hartes Süßgebäck aus Mandeln in Zucker, oder eine spezielle Pasta mit Kichererbsen.
Einige der traditionellen Speisen sind direkt von der Legende inspiriert, wie zum Beispiel eine Süßspeise namens „Cassatella di Sant’Agata„, die in ihrer Form an die abgeschnittenen Brüste und damit Agathas aufopferungsvollen Schmerz erinnern sollen: kleine, hügelförmige Küchlein aus einem fluffigen, mit Ricotta gefüllten Teig, mit Marzipan überzogen und einer roten, kandierten Kirsche obendrauf.
Eine weitere Spezialität dieser Tage sind die grünen „Oliven“ aus Marzipan, die symbolisch an eine weitere Episode in der Legende erinnern sollen: angeblich wuchs an der Stelle, an der Agatha auf der Flucht vor den Soldaten ihren Schuh zuband, ein Olivenbaum, der ihr nicht nur ein Versteck, sondern auch Schatten und eben Oliven zu ihrer Erfrischung und Stärkung bot.
Leben und Sterben der Heiligen Agatha
Die Legende der Heiligen Agatha von Catania ist außerordentlich grauenerregend, erzählt aber von der bemerkenswerten mentalen Stärke einer jungen, selbstbewussten Frau und der rachelustigen Eifersucht bzw. dem gekränkten Stolz eines zurückgewiesenen Verehrers.
Agatha wurde ca. um das Jahr 230 in eine reiche Familie in Catania geboren. Sie war gut gebildet, was zu dieser Zeit für eine junge Frau unüblich war und wurde von ihrer Familie christlich erzogen. Schon sehr früh beschloss sie, sich ganz dem Glauben zu widmen und ihre Jungfräulichkeit dem Himmel zu weihen.
Der Legende nach verliebte sich der heidnische Stadthalter von Catania, Quintianius, auf den ersten Blick in Agatha, wollte sie zu seiner Frau machen und verlangte von ihr, ihren Glauben abzulegen. Agatha blieb ihrem Gelöbnis treu und wies ihn zurück. Der mächtige Mann konnte diese empfundene Erniedrigung nicht ertragen und versuchte sie durch grausamste Foltermethoden, unter anderem das Abschneiden ihrer Brüste, umzustimmen bzw. zu bestrafen.
Agatha ließ sich nicht abbringen, verbrachte die Nächte in Gefangenschaft im Gebet und der Legende nach erschien ihr der Heilige Petrus, der ihre Wunden heilte. Der Rachelustige ließ aber nicht ab und schließlich starb Agatha an den Folgen der Folter.
Die Heilige Agatha und der Ätna
Fast auf den Tag genau ein Jahr nach ihrem Tod, am 1. Februar 352, brach der Vulkan Ätna aus und bildete den Krater Monpeloso nördlich von Nicolosi. Die Lava floss in Richtung Catania und die Menschen sollen Agathas Schleier vor den Lavastrom gelegt haben. Dieser stoppte vor Catania, die Stadt war gerettet und das Wunder wurde – als erstes einer Reihe – der Heiligen zugesprochen.
Es gibt noch ein zweites Fest, am 17. August, welches der Heiligen Agatha gewidmet ist und den Tag ehrt, an dem ihr verschollener Leichnam zurück nach Catania gebracht wurde, doch das Fest Anfang Februar ist der große Höhepunkt des Jahres.
Die Heilige Agatha ist ebenfalls Patronin der Zwergrepublik San Marino, eines der reichsten Länder der Welt, und von der Insel Malta im Süden Siziliens.